Krankes System? – Fachtagung am 10.10.2016 in Berlin

Perspektiven für eine gerechte Gesundheitspolitik

MONTAG 10.10.2016 – 17.00-20.00 Uhr

DGB-Bundesvorstand, Henriette-Herz-Platz 2, 10178 Berlin

 

In diesen Tagen beginnt der Prozess gegen einen deutschen Kinderarzt, der in Kooperation mit der Pharmaindustrie Medikamente an Kindern getestet hat, ohne die Eltern zu informieren und sich damit einen Nebenverdienst sicherte. In Kenia werden immer wieder Frauen nach der Geburt im Krankenhaus festgehalten und nicht medizinisch versorgt, weil sie die Rechnung nicht bezahlen können. So unterschiedlich die Fälle sind, an ihnen lassen sich exemplarisch die Folgen einer Gesundheitspolitik ablesen, die von einer betriebswirtschaftlichen Logik geleitet und nicht auf die existenziellen Grundbedürfnisse der Menschen ausgerichtet ist.

 

Gesundheit ist ein globales öffentliches Gut; der Zugang zu Gesundheitsversorgung ein Menschenrecht, zu dessen Verwirklichung sich die Staatengemeinschaft verpflichtet hat. Doch in der nationalen und internationalen Gesundheitspolitik gewinnen privatwirtschaftliche Akteure und Prinzipien zunehmend an Einfluss. Auch der World Health Summit räumt ihnen einen zentralen Stellenwert ein. Welche Auswirkungen hat die zunehmende Privatisierung eines öffentlichen Guts auf die Möglichkeiten demokratischer Mitbestimmung, auf die Arbeitsbedingungen des Gesundheitspersonals und nicht zuletzt den Zugang zu Gesundheit für Alle? Von welchen Interessen wird die Privatisierungspolitik geleitet?

 

Über diese Frage möchten wir mit Fachleuten aus der Wissenschaft und Gewerkschaften, mit Vertreter_innen aus sozialen Bewegungen und NGOs debattieren und dabei Ansätze einer Re-Politisierung und Re-Demokratisierung der Gesundheitspolitik aufzeigen, um das Ziel einer vom Wohl der Menschen bestimmten globalen Gesundheitspolitik nicht aus dem Blick zu verlieren.

 

17.00 Uhr

Begrüßung
Anne Jung, medico international, Deutsche Plattform für globale Gesundheit

 

17.10 Uhr

PRIVATISIERUNG UND DEMOKRATIE_VERLUST

Vortrag

Die politischen Ursachen von gesundheitlicher Ungleichheit
Professor Desmond McNeill, Lancet – University of Oslo Commission on Global Governance for Health

 

17.40 Uhr

Kommentar
Manfred Fiedler, attac AG Soziale Sicherung

Dr. Tine Hanrieder, Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB)

 

17.50 Uhr

Debatte

18.10-18.30 Uhr

Pause

 

18.30 Uhr

ÖKONOMISIERUNG und ARBEITSKÄMPFE

Podiumsdiskussion

Das Ungleichgewicht bei der Gesundheitsfinanzierung
Knut Lambertin, Deutscher Gewerkschaftsbund

 

Mehr von uns ist besser für alle – der Kampf für mehr Personal an der Charité
Carsten Becker, Vorsitzender der ver.di-Betriebsgruppe an der Charité

 

Migration von Gesundheitsfachkräften – Ursachen und Folgen in Deutschland und weltweit
Heino Güllemann, Stiftung Umverteilen

 

Moderation

Nadja Rakowitz, Verein Demokratische Ärztinnen und Ärzte

 

19.45 Uhr

Abschlusskommentar

Eine Solidarische Gesundheitsfinanzierung ist möglich – eine gute Versorgung ohne Kommerzialisierung ebenfalls

Franziska Hommes, Globalisation and Health Initiative der Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland

 

20.00 Uhr

Imbiss

 

 

Anmeldung

DGB Bundesvorstand

Abteilung Sozialpolitik

Maxi Spickermann

Henriette-Herz-Platz 2

10178 Berlin

Fax 030 24060-226

 

Anmeldeformular

https://www.taseko-web.de/kunden/dgb/webanmeldung/anmeldedaten?Konferenznummer=0027&Ebenennummer=1000

 

Für Nachfragen wenden Sie sich an:

Anne Jung, Gesundheitsreferentin medico international jung@medico.de Tel. 0699443827

 

 

Große Spender für den kleinen Pieks

Mit Impfungen lassen sich viele Leben retten, denn sie schützen nicht nur den Einzelnen, sondern auch die Allgemeinheit. Sie helfen, die Ausbreitung von Krankheitserregern einzudämmen und Seuchen auszurotten. Für den globalen Schutz vor Infektionskrankheiten ist eigentlich die Weltgesundheitsorganisation verantwortlich. Doch ihre Finanzkraft sinkt seit Jahren beträchtlich. Zunehmend springen private Geldgeber in die Bresche, so auch in der „Globalen Allianz für Impfstoffe und Impfungen“ (GAVI), mittlerweile größter Financier von Impfsstoffen in armen Ländern. Impfungen passen perfekt in das Konzept des heutigen Wohltätigkeitskapitalismus, der in steigendem Maße die Entwicklungszusammenarbeit bestimmt. Die Deutsche Plattform für Globale Gesundheit kritisiert diesen Trend, denn sie befürchtet nicht nur ein Sammelsurium von Einzelprojekten, sondern vor allem eine zunehmende Ausrichtung der internationalen Zusammenarbeit an den Interessen der Sponsoren. In der Oktoberausgabe 2015 veröffentlichte das Magazin „Gesundheit und Gesellschaft“ des AOK-Bundesverbands einen Beitrag, der die Impfallianz GAVI vor dem Hintergrund unerwünschter Auswirkungen auf die armen Länder des Südens und die internationale Gesundheitspolitik beleuchtet.

Jens Holst – Große_Spender_für_den_kleinen_Pieks

 

Klimawandel und Gesundheit

Ein Weck- und Aufruf für den Gesundheitssektor. Positionspapier der Deutschen Plattform für Globale Gesundheit (DPGG)

Im deutschen Gesundheitswesen findet bisher kaum eine Debatte über Klimawandel und Gesundheit statt. Anders als in angelsächsischen Ländern ist „die größte Herausforderung für die Gesundheit im 21. Jahrhundert“ (Costello) hierzulande praktisch kein Thema. Es ist höchste Zeit, dies zu ändern. Dazu trägt die Deutsche Plattform für Globale Gesundheit (DPGG) mit diesem Positionspapier bei. Es greift die international wichtigen Berichte zum Thema Klimawandel und Gesundheit und die beispielhafte Debatte im britischen Gesundheitssektor auf und zeigt an Beispielen, wo die Gesundheit durch den Klimawandel in besonderem Maße bedroht ist.

Globale Gesundheitspolitik

Grundlagen für eine künftige ressortübergreifende Strategie für globale Gesundheit

Im Sommer 2013 hat die deutsche Bundesregierung das von fünf Ministerien ausgearbeitete Konzeptpapier „Globale Gesundheitspolitik gestalten – gemeinsam handeln – Verantwortung wahrnehmen“ beschlossen. Die darin formulierten Vorschläge sollen dazu beitragen, die weltweite Zusammenarbeit wirksam im Sinne der Verbesserung der globalen Gesundheit zu nutzen. Ein solches Engagement ist erfreulich – und dringend erforderlich. Denn obwohl in einigen Gesundheitsfeldern in den vergangenen Jahrzehnten punktuell Verbesserungen erzielt worden sind, ist die Gesundheitslage an vielen Orten der Welt und für unzählige Menschen weiterhin dramatisch. Nach wie vor klaffen zwischen Nord und Süd wie auch zwischen Arm und Reich die Bedingungen für ein gesundes Leben in erschreckendem Maße auseinander – das betrifft sowohl die Versorgung im Krankheitsfall als auch den Schutz vor Gesundheitsgefährdungen und -belastungen. Mehr noch: Der vielerorts zu verzeichnende Abbau solidarischer Sicherungssysteme, aber auch wachsende soziale Ungleichheiten, der Klimawandel, eine schwindende Ernährungssouveränität und die Zunahme neuer Kriege haben die gesundheitlichen Risiken vielerorts erhöht.

Vor diesem Hintergrund hat sich die Plattform für globale Gesundheit (PGG), die 2012 von Sozialverbänden, nicht-staatlichen Organisationen, Gewerkschaften und Wissenschaftlern gegründet wurde, intensiv mit dem Konzeptpapier der Bundesregierung auseinandergesetzt. Die Plattform begrüßt, dass die Bundesregierung die Dringlichkeit des Themas erkannt und sich bereit erklärt hat, die Herausforderungen der weltweiten Zusammenhänge von Gesundheit anzunehmen. Sie kommt jedoch zu dem Schluss, dass in dem Papier zentrale gesundheitspolitische Probleme nicht, nicht hinreichend oder gar fehlleitend adressiert werden. Auf den nächsten Seiten wird dies anhand einiger gesundheitsrelevanter Felder aufgezeigt, von Ernährungsfragen über die Migration von Gesundheitsfachkräften bis zum Klimawandel und die internationale Handels- und Steuerpolitik.

Grundsätzlich ist festzustellen, dass die Bundesregierung in ihrem Konzeptpapier von einem verkürzten Gesundheitsbegriff ausgeht. So hat das Regierungshandeln in erster Linie „den Schutz der Bevölkerung in Deutschland“ zum Ziel – und damit nicht gleichrangig den von allen Menschen an jedem Ort. Problematisch ist zudem der klinisch-medizinische Ansatz, mit dem sich die Bundesregierung globaler Gesundheit nähert. Dadurch geraten die die sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Lebensbedingungen aus dem Fokus, die gesundheitsfördernd bzw. -erhaltend oder eben auch -gefährdend sein können. Ausgehend von einem solchen umfassenden Verständnis von Gesundheit kommt die Plattform an vielen Stellen zu anderen, deutlich weiterreichenden Schlüssen als die Bundesregierung.

Die nachfolgenden Ausführungen zeigen wesentliche Aspekte auf, die nach Ansicht der Plattform für eine Strategie, die den komplexen Anforderungen globaler Gesundheitspolitik gerecht wird, unverzichtbar sind. Denn ohne den Erhalt und den Schutz öffentlicher und solidarischer Gesundheitssysteme, den Kampf gegen gesundheitsgefährdende Arbeits-, Lebens- und Umweltbedingungen und Strategien für mehr soziale Gerechtigkeit und Demokratie wird man dem Ziel einer globalen Gesundheit für alle Menschen an jedem Ort nicht entscheidend näher kommen. Die Plattform bietet der Bundesregierung ihre Unterstützung bei der Weiterentwicklung des Konzeptpapiers an.

DPGG Globale_Gesundheitspolitik

Gesundheitsversorgung darf nicht an Grenzen enden

Deutsche Plattform für globale Gesundheit kritisiert Flüchtlingspolitik der Bundesregierung.

(Frankfurt/Main, 22.09.2015) Die deutsche Plattform für globale Gesundheit (DPGG), ein Zusammenschluss von Gewerkschaften, Nichtregierungsorganisationen und Wissenschaftler_innen aus dem Gesundheits-, Entwicklungs- und Friedensbereich, kritisiert, dass die Bundesregierung europäische und internationale Abkommen missachtet und auf Maßnahmen zur Abschottung und Abschreckung setzt, anstatt ihrer globalen Verantwortung gerecht zu werden. Auch lehnt die DPGG den jüngsten Gesetzentwurf von Innenminister Thomas de Maizière ab, der weitreichende Einschnitte in das Aufenthalts-, Asyl- und Sozialrecht vorsieht. „Auch in der abgeschwächten Version verletzt der Entwurf das Menschenrecht auf Gesundheit, weil mit der Umsetzung medizinische Versorgung nicht mehr für alle Flüchtlinge gewährleistet wäre“, sagt der Gesundheits- und Entwicklungsexperte Dr. Dr. Jens Holst.

Anstelle von Kürzungen und Einschränkungen fordert die DPGG die sofortige Aufstockung der Mittel und langfristige Unterstützung bestehender Strukturen der medizinischen Versorgung wie z. B. der Zentren für psychosoziale Versorgung, um die Arbeit der vielen Ehrenamtlichen auf eine tragfähige Grundlage zu stellen.

„Die große Hilfsbereitschaft und Akzeptanz in der Bevölkerung bietet die Chance, bundesweit eine Gesundheitskarte nach dem Bremer Modell einzuführen“ sagt Katja Goebbels von IPPNW. „Die Bremer Karte ist, anders als die jetzt von der Bundesregierung vorgeschlagene Gesundheitskarte, ein erster Schritt hin zu einer Entbürokratisierung und besseren medizinischen Versorgung von Flüchtlingen“, so Sabrina Schmitt von Ärzte der Welt.

Die großen Fluchtbewegungen sind auch Folge einer Globalisierung, die allein auf Profit- und Machtsicherung zielt und dabei vor der Zerstörung von Lebensgrundlagen nicht zurückschreckt. „Auf dramatische Weise führen sie den engen Zusammenhang zwischen nationaler und globaler Gesundheitspolitik und die Unzulänglichkeit der bestehenden politischen Lösungsansätze vor Augen“, sagt Anne Jung von medico international.

In ihrem Strategiepapier für ein menschenrechtorientiertes Verständnis von globaler Gesundheitspolitik fordert die Deutsche Plattform für globale Gesundheit ressortübergreifende gesundheitspolitische Ansätze und Lösungen. Menschenrechtsorientierte Gesundheitspolitik muss die Probleme der Menschen, die Zuflucht in Deutschland suchen und die Fluchtursachen wie Krieg, Klimawandel und Wirtschaft gleichermaßen in den Blick nehmen.

Nachfragen richten Sie bitte an:

  • Katja Goebbels, IPPNW, Tel. 030 69807415
  • Anne Jung, medico international, Tel. 069 9443827
  • Sabrina Schmitt, Ärzte der Welt Tel. 089 452308117
  • Dr. Dr. Jens Holst, selbstständiger Gutachter, Tel. 030 69599350

Die DPGG möchte den Zusammenhang zwischen globalen und lokalen Einflussfaktoren von Gesundheit stärker ins öffentliche Bewusstsein bringen und dazu beitragen, die Trennung zwischen innenpolitischer und globaler Gesundheitspolitik zu überwinden.

Diese Pressemitteilung wird unterstützt von Ärzte der Welt, BUKO Pharmakampagne, IPPNW, medico international, Verein demokratischer Ärztinnen und Ärzte, Dr. Dr. Jens Holst und Prof. Dr. Oliver Razum, Universität Bielefeld.

Gesundheit im Wandel

Dokumentation der Fachtagung „Soziale und politische Bedingungen von Gesundheit im Wandel“

In der globalisierten Welt sind die wesentlichen Einflussfaktoren für Gesundheit und Wohlbefinden der Menschen nicht mehr allein auf nationaler Ebene steuer- und beeinflussbar. Der Erhalt und der Schutz öffentlicher und solidarischer Gesundheitssysteme, der Kampf gegen gesundheitsgefährdende Arbeits-, Lebens- und Umweltbedingungen und Strategien für mehr soziale Gerechtigkeit und Demokratie gehören zu den sozialen und politischen Aspekten von Gesundheit. Mit der Fachtagung „Soziale und politische Bedingungen von Gesundheit im Wandel“ am 26.09.2014 suchte die Plattform für Globale Gesundheit den Dialog mit der Politik. Ziel ist es, den Wandel zu analysieren und die sozialen Bedingungen von Gesundheit zu benennen, um den komplexen Anforderungen globaler Gesundheitspolitik auch in Zukunft gerecht zu werden.

 

Aus der Traum!

Die zunehmende Unwirksamkeit von Antibiotika hat schwerwiegende gesundheitliche Folgen und politische Ursachen

Globale Gesundheit gehört erklärtermaßen zu den Kernanliegen der deutschen Bundesregierung. Als Gastgeberin des G7-Gipfels 2015 auf dem bayerischen Schloss Elmau folgte sie der Tradition dieses Zusammenschluss großer Industrienationen und setzte Gesundheitsthemen auf die Tagesordnung: Verbesserung der Gesundheit von Kindern und Müttern, Bekämpfung vernachlässigter und armutsassoziierter Tropenkrankheiten, Stärkung von Gesundheitssystemen und Eindämmung der zunehmenden Antibiotikaresistenzen. Allesamt wichtige und unterstützenswerte Anliegen, die zur Armutsminderung und globalen Entwicklung beitragen können – vorausgesetzt, die Maßnahmen werden den komplexen Herausforderungen gerecht. Hier sind allerdings Zweifel angebracht.

So zielen etwa die Vorschläge zur Eindämmung der zunehmenden Antibiotikaresistenzen ausschließlich auf biomedizinisch-technologische Lösungsansätze ab. Es bleibt außen vor, dass sich Antibiotika-Resistenzen vor allem dort entwickeln, wo wirtschaftliche Interessen die Gesundheitspolitik dominieren und die öffentliche Daseins- und Gesundheitsfürsorge dem ökonomischen Primat untergeordnet ist.