Weltschmerz

+++ entfällt +++

+++ Der Kongress Armut und Gesundheit 2020 wurde abgesagt +++ weitere Informationen bei www.armut-und-gesundheit.de

 

Über den Zusammenhang von Drogenabhängigkeit, Krise und Kapitalismus. Workshops von medico international auf dem Kongress Armut und Gesundheit 2020, Berlin 08.03. bis 10.03.2020

Die weltweite Nachfrage nach legalen und illegalen Opioiden, Kokain und anderen Drogen ist laut UN auf einem Rekordhoch. Fast 300 Millionen Menschen weltweit sind drogensüchtig, Tendenz steigend. So vielfältig wie die Art der Drogen sind auch die Ursachen für deren Konsum. In den USA ist z.B. ist die weiße Mittelschicht des Landes in einen regelrechten Drogenrausch gefallen. An verschreibungspflichtigen Schmerzmitteln sterben jährlich in den USA geschätzt über 10.000 Menschen, zusammen kommen alle Drogentote dort auf 70.000 im Jahr. Die Einstiegsdroge sind fast immer Schmerzmittel mit abhängig machendem Potential wie Oxycontin oder Tramadol, die nach erfolgreichen Werbekampagnen der Pharmaindustrie von Ärzt*innen schneller und häufiger verschrieben werden zur Therapie chronischer Schmerzen, die durch den Langzeitgebrauch ein hohes Suchtpotential hat. Die Pharmaindustrie macht milliardenschwere Umsätze, die sie auch Millionenstrafen verkraften lassen wie kürzlich gegen Johnson & Johnson.

Neben der Rolle der Pharmaindustrie gilt es die Pathologien des global-kapitalistischen Systems in den Blick nehmen. Die Unsicherheiten angesichts der krisenhaften Erscheinungsformen im Kapitalismus verstärken die Notwendigkeit, jederzeit flexibel und zeitlich unbegrenzt zu funktionieren. Dabei hilft eine Mischung aus dämpfenden Mitteln und Medikamenten zur (kurzfristigen) Leistungssteigerung und  „Gehirndoping Beschleunigungsphänomene zu ertragen, Krankheiten wegzudämmen und damit auch die Ängste vor dem Verlust des Arbeitsplatzes. Oder die Aussichtslosigkeit, einen zu bekommen. Phänomene, die in den Ländern des globalen Südens eine existenzielle Zuspitzung erfahren: Die WHO weist darauf hin, dass extreme Armut und Ungleichheit massiven Stress auslöst und Drogenkonsum oft als einzige Möglichkeit dieses Spannungsverhältnis zu ertragen gesehen wird. Dies sei – so die Weltgesundheitsorganisation – eine zentrale Ursache für den dramatischen Anstieg von Opioidsüchtigen in den Ländern des Südens. Die unwürdigen und oft lebensgefährlichen Arbeitsbedingungen haben, die völlige Perspektivlosigkeit z.B. im Alltag von Flüchtlingslagern, hat zu einem exorbitanten Anstieg beim Konsum von Schmerzmitteln, geführt, die oft eine kostengünstige und leichter sozial zu integrierende Alternative zu den klassischen illegalen Drogen sind. Die Betroffenen bleiben mit den Folgen der Suchterkrankung oft alleine, es herrscht großer Mangel an professioneller, psychiatrisch-medizinischer Betreuung in fast allen Ländern des Südens.

Paradoxerweise ist in diesen Ländern im „offiziellen“ Gesundheitssystem trotzdem die Verfügbarkeit von Schmerzmitteln zur Behandlung von schweren Schmerzen bei Krebserkrankungen und in der Palliativmedizin oft sehr gering, da die internationalen Kontrollen für die Medikamente eine sichere Beschaffung oft verunmöglichen. Diese Debatte hat eine Kontroverse ausgelöst, in deren Folge die WHO ihre Richtlinien zum Gebrauch von Morphium in der Schmerztherapie und in der Palliativmedizin nach Intervention aus den USA kürzlich zurückgezogen hat. Die Frage guter Versorgungssicherheit muss daher auch hier immer mit berücksichtigt werden.

Diese vielschichtigen Facetten des Zusammenhangs von Drogensucht, Krise und Kapitalismus werden auf den diesjährigen medico Panels bei Armut und Gesundheit debattiert.

9.3.2020 – 13:45-15:15 Uhr

Panel 1 – Deregulierung und Drogensucht

Süchtig nach Schmerzmitteln. Die Opioidkrise und die Pharmaindustrie – Carmen Butta, Hamburg, Journalistin und Regisseurin

Zwei Seiten der gleichen Tablette: Überversorgung und Unterversorgung von Schmerzmitteln  – Dr. Tania Pastrani, Kolumbien und Aachen, Präsidentin der Lateinamerikanischen Gesellschaft für Palliative Care (angefragt)

Moderation: Anne Jung, Frankfurt, Gesundheitsreferentin medico international

9.3.2020 – 15:45-17:15 Uhr

Panel 2 – Den Weltschmerz ertragen

(diese Veranstaltung findet in englischer Sprache statt!)

Gewalt, Drogensucht und die Ökonomie des Flüchtlingslagers – Zafer Khateeb, Beirut, Präsident von Nashet, Ein el Hilweh Camp, Saida, Libanon

Schneller, höher. Weiter. Selbstoptimierung und Depressionen in der kapitalistischen Leistungsgesellschaft – Dr. Greta Wagner, Universität Frankfurt, Exzellenzcluster Normative Orders

Moderation: NN

Anmeldung unter

www.armut-und-gesundheit.de

kongress@gesundheitbb.de

Tel. 030 44 31 90 73

Win-win oder Win-lose?

Öffentlich-Private Partnerschaften in der Globalen Gesundheit

Fachkonferenz der Deutschen Plattform für globale Gesundheit

11. November 2019, 15.30 – 20.00 Uhr

Hotel Aquino Tagungszentrum Katholische Akademie, Hannoversche Str. 5b, 10115 Berlin-Mitte

Globale Gesundheit hat es in den letzten 20 Jahren vom Nischendasein zu einem der zentralen Themen auf der politischen Agenda geschafft. In Deutschland zeigt sich dies unter anderem in der neuen Globalen Gesundheitsstrategie der Bundesregierung und dem kürzlich gegründeten Global Health Hub Germany. Mit dem Bedeutungsgewinn von Global Health treten aber auch inhaltlich-konzeptionelle Differenzen stärker zu Tage. Diese will eine Fachkonferenz der Deutschen Plattform für Globale Gesundheit näher beleuchten. Weiterlesen

Anforderungen an eine nachhaltige Gesundheitspolitik

Von Jens Holst

„Global Health“, globale Gesundheit, steht weit oben auf der internationalen politischen Agenda. Die deutsche Bundesregierung unter Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat maßgeblich dazu beigetragen, das globale Gesundheitsthema bei internationalen Foren wie den G7- und G20-Gipfeltreffen auf die Tagesordnung zu bringen. Diese Entwicklung ist aus gesundheitswissenschaftlicher und -politischer Sicht so überfällig wie be­grü­­ßenswert. Das gängige Verständnis von Global Health weist dabei allerdings einige konzeptionelle Beschränkungen auf: Reichweite und Inhalte der Diskussion werden vielfach nicht den komplexen Herausforderungen in der globalisierten Welt gerecht.

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Abschottung statt Solidarität.

Health Security – eine neue globale Norm? Von Thomas Gebauer.

Die Zunahme grenzüberschreitender Epidemien, die gesundheitsschädlichen Folgen des weltweiten Klimawandels, internationale Handelsverträge, die vielfältigen Einfluss auf nationale Gesundheitswesen nehmen – all das macht deutlich, dass Gesundheitspolitik keine nationale Angelegenheit mehr ist. Unser Autor zeigt, dass PolitikerInnen heute vermehrt auf Abschottung und Krisenmanagement setzen, wenn es darum geht, die Gesundheit der eigenen Bevölkerung zu sichern. Dabei könnte eine weltweite solidarische Gesundheitsversorgung helfen, die globale Situation zu verbessern – und zwar für alle Menschen.

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Digitalisierung im Gesundheitswesen

Ein Wundermittel auf dem Weg zur Gesundheit für Alle? Workshop der Deutschen Plattform für Globale Gesundheit.

Der Gesundheitssektor ist durch die fortschreitende Digitalisierung weltweit im Wandel begriffen. Die Digitalisierung beinhaltet das Versprechen für bessere Behandlungschancen, Erleichterungen für Ärzt*innen und Geschäfte für Konzerne der Gesundheitswirtschaft. Kurz, sie scheint das Wundermittel für die bestmögliche Gesundheitsversorgung für alle Menschen – von Gesundheits-Apps fürs Smartphone bis zu Kostenersparnissen durch elektronische Krankenakten.

Die Dt. Plattform für globale Gesundheit möchte in ihrem Fachworkshop die zu erwartenden Folgen einer fortschreitenden digitalen Vernetzung der medizinischen Versorgung kritisch unter die Lupe nehmen und über Chancen wie Risiken mit Ihnen diskutieren. Weiterlesen

Falsche Weichenstellung

Der Global Health Hub Germany der Bundesregierung hat Interessenkonflikte

Die Deutsche Plattform für Globale Gesundheit, ein Netzwerk aus Nichtregierungsorganisationen, Wissenschaftler*innen und Gewerkschaften, sieht in der Zusammensetzung des neu gegründeten Global Health Hub Germany der Bundesregierung, der am 19.2. lanciert wird, einen Interessenkonflikt zwischen Gemeinwohlinteressen und Gewinninteressen im Gesundheitsbereich.

Die Idee für das neue Gremium bestehend aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, philanthropischen Stiftungen und Nichtregierungsorganisationen kam vor allem aus der Wirtschaft. Wissenschaft und Nichtregierungsorganisationen wurden erst nach lautstarker Kritik und mit wenig Mitspracherecht einbezogen. „In der Konsequenz wird ein weiterer Ort geschaffen, an dem die Meinungsführerschaft der Industrie einen großen Stellenwert eingeräumt bekommt“ kritisiert Jörg Schaaber von der BUKO Pharma-Kampagne.
Aufgrund seiner Konstruktion wird der Global Health Hub Germany schwerlich einen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung leisten können. Das grundlegende Ziel von Global Health, ein gesundes Leben für alle Menschen jeden Alters zu gewährleisten und ihr Wohlergehen zu fördern, erfordert einen wesentlich breiteren Ansatz.

Die fatalen Auswirkungen der engen Verschränkung von Politik und Wirtschaft zeigt die aktuelle Debatte über verbindliche Regeln zur die Reduzierung des Zuckeranteils in Lebensmitteln: Obwohl der Zusammenhang zwischen dem Konsum von teilweise verstecktem Zucker und der dramatischen Zunahme von Diabetes-Typ-2-Erkrankungen empirisch gut belegt ist, verhinderte der starke Druck der Hersteller auf das Landwirtschaftsministerium jede Erfolg versprechende Regelung. „Fälle wie dieser zeigen, dass öffentliche Gremien und Beraterzusammenhänge gebraucht werden, die das Gemeinwohl in den Mittelpunkt stellen und keinerlei Gewinninteressen verfolgen“ sagt Anne Jung, Gesundheitsreferentin von medico international und Mitglied der DPGG.

Das Recht auf den bestmöglichen Zugang zu Gesundheit kann nur durch die Erhaltung und Stärkung der öffentlichen Verantwortung erreicht werden. Die Regierung muss hier für den sozialen und institutionellen Rahmen sorgen. „Wenn ein Global Health Hub etwas erreichen soll, darf er nicht den Interessen der Wirtschaft Vorrang einräumen,“ so Professor Jens Holst von der Hochschule Fulda und Mitglied der DPGG. „Die Bundesregierung wäre gut beraten, einen ressortübergreifenden Hub zu bilden, der auch die gesundheitlichen Auswirkungen von Handel, Produktion und Export kritisch überprüft.“

Max Klein, BUKO Pharma-Kampagne, Tel. Tel. +49-(0) 521-96879481
www.plattformglobalegesundheit.de

Hintergrundinformationen

SDG 3 – Deutschlands Engagement – für Globale Gesundheit, Januar 2019 (PDF)
Der Globale Aktionsplan für ein gesundes Leben und das Wohlergehen aller Menschen und der Prozess zur Neuformulierung der Strategie der Bundesregierung zu Globaler Gesundheit. Briefing von Brot für die Welt, Global Policy Forum

Pharma-Brief der Buko-Pharma-Kampagne zum Global Health Hub Germany, Nr. 8-9 November 2018 (PDF)
Am Rande der Debatte um die globale Gesundheitsstrategie der Bundesregierung sickerten im September erste Informationen über ein neues Gremium durch: Der sogenannte Global Health Hub soll eine wichtige Rolle in der weiteren Entwicklung und Umsetzung der Gesundheitsstrategie bekommen. Je mehr Informationen über das geplante Diskussionsforum bekannt werden, umso fragwürdiger erscheint es.

 

Politik macht Gesundheit

Der Public Health-Kongress Armut und Gesundheit 2019 am 14. und 15. März 2019 in Berlin diskutiert unter dem Motto „POLITIK MACHT GESUNDHEIT“ den Health in All Policies-Ansatz weiter. Das Motto enthält bewusst zwei Lesarten: Zum einen ist Gesundheit immer auch eine Frage des politischen Willens (‚Politik macht Gesundheit`), zum anderen stellt Politik einen ständigen Kampf um Macht zwischen konkurrierenden Interessen dar (‚Politik Macht Gesundheit‘).

Die Panels von medico international und der Deutschen Plattform für Globale Gesundheit greifen das Motto des Kongresses auf und diskutieren Fragen der globalen Gesundheitsarchitektur und die Idee einer öffentlichen Bürgerversicherung auf globaler Ebene.

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Zur Globalen Gesundheitsstrategie der Bundesregierung

Die Deutsche Plattform für Globale Gesundheit (DPGG), ein Zusammenschluss von Gewerkschaften, Nichtregierungsorganisationen und Wissenschaftler*innen, verfolgt das Ziel, die Bedeutung der gesellschaftlichen Bedingungen von Gesundheit und Krankheit stärker in die nationale und internationale Gesundheitsdebatte einzubringen.

In der heutigen globalisierten Welt sind die wesentlichen Einflussfaktoren für Gesundheit und Wohlbefinden der Menschen nicht mehr allein auf nationaler Ebene steuer- und beeinflussbar. Die innerhalb und zwischen den Ländern dieser Erde beständig anwachsende Ungleichheit von Einkommen und Vermögen, der Klimawandel, die Liberalisierung der internationalen Finanz- und Warenströme, das Wirken transnationaler Konzerne, der Umgang mit den natürlichen Ressourcen der Welt: All das hat erheblichen Einfluss auf die Gesundheit der Menschen und macht zugleich globales Handeln unumgänglich.

Es gilt aber auch: „Globale Gesundheit fängt zu Hause an“. Daher will die Plattform dazu beitragen, mit den Empfehlungen für die Globale Gesundheitsstrategie der Bundesregierung die Trennung zwischen nationaler und globaler Gesundheitspolitik zu überwinden.