Krankes System? – Perspektiven für eine gerechte Gesundheitspolitik

Mit Fachleuten aus Wissenschaft und sozialen Bewegungen, mit Gewerkschaftsvertretern und Nichtregierungsorganisationen haben wir über die Frage debattiert, welche Auswirkungen die zunehmende Privatisierung des Gesundheitssektors auf die Möglichkeiten demokratischer Mitbestimmung hat, auf die Arbeitsbedingungen des Gesundheitspersonals und nicht zuletzt den Zugang zu Gesundheit für Alle.

Die im Rahmen der Konferenz verhandelten Themen – von Freihandel über Braindrain bis zur marktwirtschaftlich gestalteten Ausrichtung von Krankenhäusern – zeigten, dass die unannehmbaren gesundheitlichen Unterschiede in und zwischen verschiedenen Ländern weder national noch ausschließlich technisch gelöst werden können.

Es bedarf vielmehr globaler politischer Maßnahmen, um Ansätze einer Re-Politisierung und Re-Demokratisierung der Gesundheitspolitik entwickeln zu können, die das Ziel einer vom Wohl der Menschen bestimmten globalen Gesundheitspolitik in den Blick nehmen.

Brain-Drain durch Abwerbung von Gesundheitsfachkräften

Der Fachkräftemangel im Gesundheitswesen ist ein globales Phänomen mit einer langen Tradition der Abwanderung besonders qualifizierter Kräfte (Brain-Drain) verbunden mit
deren Abwerbung aus den jeweils ärmeren Ländern. Nahezu alle westlichen Industrienationen bilden weniger Gesundheitsfachkräfte aus, als sie tatsächlich brauchen. Sie setzen daher offensiv oder stillschweigend auf den Zuzug qualifizierter Kräfte aus dem Ausland. Personal, das in Ländern in Afrika, Asien und Lateinamerika fehlt und die Gesundheitsversorgung dramatisch schwächt. Über die Rolle Deutschlands in diesem globalen Gesundheitsskandal.

Germany’s Contribution to a Global Health Scandal:
Brain Drain and International Recruitment of Health Workers

Qualified health personnel are scarce worldwide. Many richer countries actively recruit increasing numbers of health workers from poorer countries. Though, empirical research points to a robust association between health work force density and mortality rates. The global brain drain of health workers today has become a systemic problem and constitutes a global political determinant of health. Germany alone will need several 100,000 additional health workers in the coming decades and actively recruits from abroad. Background, policy failures and the rationale behind this global health scandal are analysed in this paper.

Klimawandel und Gesundheit

Ein Weck- und Aufruf für den Gesundheitssektor. Positionspapier der Deutschen Plattform für Globale Gesundheit (DPGG)

Im deutschen Gesundheitswesen findet bisher kaum eine Debatte über Klimawandel und Gesundheit statt. Anders als in angelsächsischen Ländern ist „die größte Herausforderung für die Gesundheit im 21. Jahrhundert“ (Costello) hierzulande praktisch kein Thema. Es ist höchste Zeit, dies zu ändern. Dazu trägt die Deutsche Plattform für Globale Gesundheit (DPGG) mit diesem Positionspapier bei. Es greift die international wichtigen Berichte zum Thema Klimawandel und Gesundheit und die beispielhafte Debatte im britischen Gesundheitssektor auf und zeigt an Beispielen, wo die Gesundheit durch den Klimawandel in besonderem Maße bedroht ist.

Globale Gesundheitspolitik

Grundlagen für eine künftige ressortübergreifende Strategie für globale Gesundheit

Im Sommer 2013 hat die deutsche Bundesregierung das von fünf Ministerien ausgearbeitete Konzeptpapier „Globale Gesundheitspolitik gestalten – gemeinsam handeln – Verantwortung wahrnehmen“ beschlossen. Die darin formulierten Vorschläge sollen dazu beitragen, die weltweite Zusammenarbeit wirksam im Sinne der Verbesserung der globalen Gesundheit zu nutzen. Ein solches Engagement ist erfreulich – und dringend erforderlich. Denn obwohl in einigen Gesundheitsfeldern in den vergangenen Jahrzehnten punktuell Verbesserungen erzielt worden sind, ist die Gesundheitslage an vielen Orten der Welt und für unzählige Menschen weiterhin dramatisch. Nach wie vor klaffen zwischen Nord und Süd wie auch zwischen Arm und Reich die Bedingungen für ein gesundes Leben in erschreckendem Maße auseinander – das betrifft sowohl die Versorgung im Krankheitsfall als auch den Schutz vor Gesundheitsgefährdungen und -belastungen. Mehr noch: Der vielerorts zu verzeichnende Abbau solidarischer Sicherungssysteme, aber auch wachsende soziale Ungleichheiten, der Klimawandel, eine schwindende Ernährungssouveränität und die Zunahme neuer Kriege haben die gesundheitlichen Risiken vielerorts erhöht.

Vor diesem Hintergrund hat sich die Plattform für globale Gesundheit (PGG), die 2012 von Sozialverbänden, nicht-staatlichen Organisationen, Gewerkschaften und Wissenschaftlern gegründet wurde, intensiv mit dem Konzeptpapier der Bundesregierung auseinandergesetzt. Die Plattform begrüßt, dass die Bundesregierung die Dringlichkeit des Themas erkannt und sich bereit erklärt hat, die Herausforderungen der weltweiten Zusammenhänge von Gesundheit anzunehmen. Sie kommt jedoch zu dem Schluss, dass in dem Papier zentrale gesundheitspolitische Probleme nicht, nicht hinreichend oder gar fehlleitend adressiert werden. Auf den nächsten Seiten wird dies anhand einiger gesundheitsrelevanter Felder aufgezeigt, von Ernährungsfragen über die Migration von Gesundheitsfachkräften bis zum Klimawandel und die internationale Handels- und Steuerpolitik.

Grundsätzlich ist festzustellen, dass die Bundesregierung in ihrem Konzeptpapier von einem verkürzten Gesundheitsbegriff ausgeht. So hat das Regierungshandeln in erster Linie „den Schutz der Bevölkerung in Deutschland“ zum Ziel – und damit nicht gleichrangig den von allen Menschen an jedem Ort. Problematisch ist zudem der klinisch-medizinische Ansatz, mit dem sich die Bundesregierung globaler Gesundheit nähert. Dadurch geraten die die sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Lebensbedingungen aus dem Fokus, die gesundheitsfördernd bzw. -erhaltend oder eben auch -gefährdend sein können. Ausgehend von einem solchen umfassenden Verständnis von Gesundheit kommt die Plattform an vielen Stellen zu anderen, deutlich weiterreichenden Schlüssen als die Bundesregierung.

Die nachfolgenden Ausführungen zeigen wesentliche Aspekte auf, die nach Ansicht der Plattform für eine Strategie, die den komplexen Anforderungen globaler Gesundheitspolitik gerecht wird, unverzichtbar sind. Denn ohne den Erhalt und den Schutz öffentlicher und solidarischer Gesundheitssysteme, den Kampf gegen gesundheitsgefährdende Arbeits-, Lebens- und Umweltbedingungen und Strategien für mehr soziale Gerechtigkeit und Demokratie wird man dem Ziel einer globalen Gesundheit für alle Menschen an jedem Ort nicht entscheidend näher kommen. Die Plattform bietet der Bundesregierung ihre Unterstützung bei der Weiterentwicklung des Konzeptpapiers an.

DPGG Globale_Gesundheitspolitik

Gesundheit im Wandel

Dokumentation der Fachtagung „Soziale und politische Bedingungen von Gesundheit im Wandel“

In der globalisierten Welt sind die wesentlichen Einflussfaktoren für Gesundheit und Wohlbefinden der Menschen nicht mehr allein auf nationaler Ebene steuer- und beeinflussbar. Der Erhalt und der Schutz öffentlicher und solidarischer Gesundheitssysteme, der Kampf gegen gesundheitsgefährdende Arbeits-, Lebens- und Umweltbedingungen und Strategien für mehr soziale Gerechtigkeit und Demokratie gehören zu den sozialen und politischen Aspekten von Gesundheit. Mit der Fachtagung „Soziale und politische Bedingungen von Gesundheit im Wandel“ am 26.09.2014 suchte die Plattform für Globale Gesundheit den Dialog mit der Politik. Ziel ist es, den Wandel zu analysieren und die sozialen Bedingungen von Gesundheit zu benennen, um den komplexen Anforderungen globaler Gesundheitspolitik auch in Zukunft gerecht zu werden.

 

Aus der Traum!

Die zunehmende Unwirksamkeit von Antibiotika hat schwerwiegende gesundheitliche Folgen und politische Ursachen

Globale Gesundheit gehört erklärtermaßen zu den Kernanliegen der deutschen Bundesregierung. Als Gastgeberin des G7-Gipfels 2015 auf dem bayerischen Schloss Elmau folgte sie der Tradition dieses Zusammenschluss großer Industrienationen und setzte Gesundheitsthemen auf die Tagesordnung: Verbesserung der Gesundheit von Kindern und Müttern, Bekämpfung vernachlässigter und armutsassoziierter Tropenkrankheiten, Stärkung von Gesundheitssystemen und Eindämmung der zunehmenden Antibiotikaresistenzen. Allesamt wichtige und unterstützenswerte Anliegen, die zur Armutsminderung und globalen Entwicklung beitragen können – vorausgesetzt, die Maßnahmen werden den komplexen Herausforderungen gerecht. Hier sind allerdings Zweifel angebracht.

So zielen etwa die Vorschläge zur Eindämmung der zunehmenden Antibiotikaresistenzen ausschließlich auf biomedizinisch-technologische Lösungsansätze ab. Es bleibt außen vor, dass sich Antibiotika-Resistenzen vor allem dort entwickeln, wo wirtschaftliche Interessen die Gesundheitspolitik dominieren und die öffentliche Daseins- und Gesundheitsfürsorge dem ökonomischen Primat untergeordnet ist.